Namibia 05. – 21. Februar 2020

Reisetagebuch Namibia – An-Flug

Nach Norden mussten wir nur bis Frankfurt. Ab sofort geht es nach Süden, nicht wie sonst nach Westen oder Osten. Afrika. Wir reisen gegen den Strom, gegen die Reisezeit; wir reisen in die Nebensaison. Schon beim Check-in ist sie spürbar, keinerlei Wartezeiten, auch nicht bei Pass- und Sicherheitskontrolle. 

Der Flieger „Air Namibia“ (es gibt nur zwei Exemplare, die Frankfurt anfliegen), ist halbleer. 

Mit uns fliegt allerdings die Klimakrise und es gibt viele freie Sitze, auf denen sie Platz nehmen kann. Dürfen wir das? Dürfen wir einerseits beklagen, dass in Sachen Klimaschutz nichts vorankommt und andererseits nach Namibia fliegen? Die Gretchenfrage bleibt ohne Antwort – vermutlich dürfen wir nicht, tun es aber trotzdem. Jetzt oder nie. Der Flieger fliegt – ob mit mir oder ohne mich. One day we’ll be old – und was werden wir dann alles nicht gesehen haben? Wieder einmal haben solche und andere Sätze den Ausschlag gegeben. Ja, ich reise. Ja, ich fliege.

Beim Start ist es dunkel (19:10); fast sofort verschwindet Deutschland auf Nimmerwiedersehen unter Wolken, eine frugale abendliche Bordmahlzeit wird gereicht (pappige Lasagne ohne alles) und dann kommt auch schon die ligurische Küste und das Meer. Nach kaum zwei Stunden schon wieder Land, erstaunlich klar zu sehen die Umrisse der Städte, beleuchtete Straßenlinien, geometrische Anwesen auf Hügeln. Wir tippen auf Italien, Sizilien, aber Google maps auf unseren Handys, das zwischendurch Empfang hat, sagt Tunesien. 

Mit einem Mal fällt ein Vorhang, rabenschwarz. Die Schwärze heißt Sahara und reicht bis ins Flugzeug – auch hier alles dunkel bis auf die Vierecke unserer Laptops. Die Passagiere haben sich auf den leeren Mittelreihen ausgestreckt. Braucht es Mut oder bloß Müdigkeit, um zu schlafen in dieser pechschwarzen Finsternis zwischen Himmel und Erde? 

Mit der Sahara dauert es sehr lang. Es ist genauso finster, als flöge man über den Atlantik, doch ohne Schiffe. Ein Meer aus Sand, das bei Tag gelb wäre. Ein oder zwei Mal ein Licht – wer lebt da, mitten in diesem ausgetrockneten Nichts? 

Der Rest der Nacht ist eher weiß: Der Mond scheint auf den weißen Flugzeugflügel; unter uns jetzt undeutliche Lichter, verwischt vom weißen Nebel wunderbar. Die Abendstrophe lädt zum Schlafen ein, aber scheiß auf Schlafen, das kann ich, wenn ich tot bin und tue es dann doch, zusammengekrümmt auf zwei Sitzflächen. Zwischendurch rappelt es, dann müssen wir uns hinsetzen und die Gurte schließen. Turbulenzen! Wo sind wir? Schon über dem Kongo? In der Ferne zucken Blitze unter der weißen Watteschicht – wer hat schon mal ein Gewitter von oben beobachtet? Die Sterne sieht man weiterhin von unten, aber der Himmel stimmt nicht mehr, der Orion liegt jetzt waagrecht wie zum Schlafen. Noch einmal gute Nacht.


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