Reisetagebuch Israel/Palästina Oktober 2019

Israel/Palästina Tag 1 

Last Call for Israel!
Jahrzehntelang hat mich das „Gelobte Land“ als Reiseziel nicht wirklich interessiert. Ich, die Pfarrerin, habe zeitlebens einen Bogen gemacht um diesen Flecken Erde, heilig und doch so unheilig, Pulverfass, Zankapfel der Nationen, Augapfel Jahwes, Big Apple der Kulturen und was noch alles. Frag mich nicht, warum. Vielleicht deshalb. Und schließlich war Israel für mich nie nur Israel sondern auch Palästina und bei allem gutem Willen gegenüber Gottes auserwähltem Volk konnte ich die rigide jüdische Politik in Bezug auf ihre palästinensischen Brüder und Schwestern einfach nicht ausblenden.
Und doch: Diesmal fliege ich mit. Jetzt oder nie. Die Gelegenheit ist günstig: Keine Exkursion auf eigene Faust, bei der man alles selber herausfinden muss, sondern eine Gruppenreise mit Kolleg*innen, „Pfarrkonvent“, eine Dienstreise also, nach Israel UND Palästina, bei der man getrost hinter erfahreneren Teilnehmern her dackeln kann. (Was ich natürlich nicht vorhabe.) Letzte Chance!
Wenn ich diesmal nicht reise, werde ich es nie tun. In diesem Leben nie das Land Jesu sehen, jenes „wahren Menschen“, dessen Mut und kompromisslose Menschlichkeit mich in Bann gezogen haben, seit ich 15 war. Seinetwegen habe ich Theologie studiert und bin später in einem Beruf gelandet, den ich nie gesucht habe. Seit 33 Jahren predige ich über den, jetzt ist es vielleicht doch dran, das Land, in dem er als Wanderprediger unterwegs war, mal mit eigenen Augen sehen. Ich kenne es wie meine Westentasche, aber es ist die Version eines Landes von vor 2000 Jahren, die ich kenne, und ich bin gespannt, wo sich Bilder von damals und Bilder von heute übereinander legen werden und wo nicht.

Als es endlich losgeht, bin ich „absolutely unprepared“. Am Vorabend der Reise überkommt es mich siedendheiß: Nicht mal an einen Reiseführer habe ich gedacht. Auf dem Weg zum Flughafen kaufe ich einen. Im Flieger habe ich einen Fensterplatz ergattert. Südliche Sonne knallt durch die kleinen Scheibenvierecke. Und dann geht es wirklich los: Ich FLIEGE nach ISRAEL mit TURKISH AIRLINES – passend zur Weltlage (Klimakrise, Anschlag in Halle, Kriegerische Auseinandersetzungen an der türkisch-syrischen Grenze). Gibt es einen schlechteren Zeitpunkt? Oder einen besseren?

Wir fliegen an der Donau entlang, einem funkelnden Band in der Sonne, das immer breiter wird und mich an Smetana denken lässt und seine Musik – wie schön, wie passend hat er komponiert! – Ach nee, das war ja die Moldau!
Dann: das Meer und gleich darauf Istanbul. Zwischenlandung. Raus aus dem Flieger, rein in eine schnieke Abflughalle, Gepäck- und Körperkontrolle, Auspacken und Einpacken, Ausziehen und Anziehen, beides mehrmals, rein in den Flieger. Abheben Richtung Tel Avi v. Sehr kurze Dämmerung. Dann: Nacht. So plötzlich – alshätte jemand einen Eimer pechschwarzer Farbe über einem ausgeschüttet. Nun am Horizont begleitet uns noch lange ein knalliger neonroter Streifen, viel zu kitschig, um wahr zu sein.
Tel Aviv: Es ist schwül und drückend wie in den Tropen. Mit dem Reisebus zum Hotel in Neve Schalom. Dann ist der Tag zu Ende.

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