Gelesen: Charlotte Wood – Ein Wochenende

Charlotte Wood schreibt über ein Freundinnentrio, das sich nach dem Tod der Vierten im Bund für ein Wochenende in deren Ferienhaus versammelt hat, um dieses zu räumen. Die Frauen sind allesamt jenseits der siebzig. Eine interessante und zugleich gewagte Herausforderung, über drei alternde Frauen zu schreiben, ein wenig beliebtes und aus meiner Sicht nicht unbedingt Erfolg versprechendes Setting für einen Roman. Vorab: Das Buch ist gut geschrieben und, bis auf manche Passagen, die sich ein bisschen ziehen, nicht langweilig. Es gibt durchaus einen Plot am Ende, der es in sich hat. Charlotte Wood beherrscht ihr Handwerk, sie kann schreiben, sie versetzt sich in die Psychen ihrer Protagonistinnen und macht sie zu glaubhaften Akteurinnen. Allerdings ist es eher der Sezierblick, mit dem sie auf ihre Charaktere schaut, ein Blick ohne Wärme, was sich auf mich als Leserin ausgewirkt hat – wirklich sympathisch war mir keine der drei Frauen. Vielleicht am ehesten noch Wendy, die mit ihrem schwächlichen alten Hund Finn anreist, der in den Augen von June schon lange eingeschläfert hätte werden müssen.
Meine Anfragen an das Buch betreffen die pessimistische, oft geradezu gnadenlose Sicht auf ein weibliches Leben, wenn „die besten Jahre“ vorüber sind. Mit den drei Romanakteurinnen jedenfalls geht es nur noch abwärts, keine ihrer Hoffnungen erfüllt sich. Muss die ehemals gefeierte Schauspielerin Adele, die sich um ihr Äußeres kümmert und sich fit zu halten versucht, für Außenstehende wirklich so lächerlich wirken wie beschrieben? Muss die ehemals bewunderte Schriftstellerin Wendy wirklich so verwahrlost und unattraktiv daherkommen wie beschrieben? Muss June wirklich so verknöchert und unfreundlich auftreten wie beschrieben? Im Lauf des Wochenendes zerplatzt jeder der Zukunftsträume, die die drei Frauen noch haben, wie eine Seifenblase. Vernichtend der Ausspruch des jungen Regisseurs Gillespie, der von Adele zum Abendessen eingeladen worden ist und die Außensicht verkörpert: „Ihr alten Tanten seid zum Schreien.“
Wieso schreibt man so einen Roman? Wie schafft es so ein Roman gar in die Spiegel-Bestsellerliste? Ich kann mir nicht vorstellen, dass der potenzielle Leser*innenkreis dieses Buch mit Genuss liest und daran Freude hat. Für Frauen, die auf das Lebensalter jenseits der siebzig zugehen, oft genug mit Zaudern, Unsicherheit und Vorbehalten, ist dieser Roman eher deprimierend. Ist das Leben von Frauen, wenn sie die siebzig überschritten haben, wirklich zu Ende? Sind sie wirklich so unansehnlich, lächerlich, so verhärtet und streng mit anderen, wie Charlotte Wood sie darstellt? Ich meine Nein und kenne Gott sei Dank jede Menge Frauen, die das Klischee der alternden Schachtel, die nach Liebe giert, aber keinen mehr abkriegt, Lügen strafen. „Das Liebesgedächtnis“ von Sybille Knauss ist diesbezüglich ein Roman, der mich berührt und getröstet hat – trotz der schweren Themen, mit denen man zum Lebensabend häufig zu kämpfen hat – zumal als Frau.

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